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Transformation, Nachhaltigkeit und Lebensqualität

Jahr für Jahr warnen Klimaforscher vor den verheerenden Folgen eines unkontrollierten Wirtschaftswachstums. Denn: das derzeit vorherrschende Wirtschaftsmodell ist nicht nur stark krisenanfällig, wie die globale Wirtschafts- und Finanzkrise überdeutlich zeigt, sondern gefährdet zudem die Lebensgrundlage von weiten Teilen der Weltbevölkerung. Eine umfassende Transformation von Wirtschaft und Gesellschaft auf globaler, regionaler, nationaler und lokaler Ebene ist zwingend notwendig.

Dies stand im Anschreiben zu einem Workshop, zu dem ich eingeladen war. Mein erster Gedanke: „Na toll, sitzen wir also zwei Tage im Kreis und philosophieren darüber, wie wir die Welt retten können“ Aber tatsächlich liebe ich es im Kreis zu sitzen und die Weltrettung zu planen und außerdem waren sehr interessante Referenten angekündigt, also habe ich mich auf den Weg nach Springe gemacht.

Der erste Eindruck war schon weit weg von meinem ersten Gedanken, denn statt der erwarteten Truppe Wollsocken tragender Ökofreaks saßen dort Wissenschaftler, Gewerkschaftsfunktionäre, ein Landtagsabgeordneter und Wirtschaftsvertreter in der Runde. Moderiert wurde das Ganze von Volker Angres (ZDF), der auch die Reportage zum „Erdgipfel“ in Rio 1992 gemacht hat und um diesen Erdgipfel ging es bei diesem Workshop unter anderem. Die erste Frage die im Raum stand war nämlich: „Was ist von den Erkenntnissen und Beschlüssen von Rio denn tatsächlich in den vergangenen 20 Jahren umgesetzt worden?“ Nach kurzem Schweigen, haben dann einige in der Runde festgestellt… nicht genug. Es scheint, dass es nicht möglich ist, ein globales Gespräch in Gange zu setzen, dass jeden erreicht, der an den Missständen die unsere Umwelt offensichtlich zerstören, etwas ändern könnte.

Mein Einwurf, dass dieses globale Gespräch doch im Internet längst stattfindet und nur die Entscheider, die an den richtigen Hebeln sitzen, dieses Gespräch ignorieren (zum Teil ja sogar bekämpfen), wurde leider mit den üblichen „Unfug“ Kommentaren abgetan.

Prof. Dr. Uwe Schneidewind (Präsident des Wuppertal-Instituts) hat in seinem Vortrag „Die Transformation zur klimaverträglichen Gesellschaft“ die wissenschaftlichen Grundlagen zum „Weltverbessern“ sehr anschaulich aufgezeigt. Besonders angenehm war seine Feststellung, dass Wissenschaft nun einmal darauf konzentriert ist klein, klein zu denken und sich daher schwer damit tut, globale Untersuchungen unter Einbeziehung aller denkbaren Faktoren zu machen. Trotzdem ist es gelungen, einige wertvolle Informationen zusammen zu tragen und auszuwerten. Ich versuche ein wenig davon in „nichtakademiker“ Sprache wieder zu geben. Da war zuerst einmal die Betrachtung, welches die Grenzwerte unserer globalen Ökosysteme sind, ab derer sich die Entwicklung nicht mehr umkehren lässt. In den Bereichen Klima, Nitratkreislauf und Artenvielfalt sind diese Grenzwerte bereits erreicht bzw. überschritten. Hier ist es also nötig, weiter zu forschen, um die Folgen dieser unumkehrbaren Faktoren händeln zu können. Auch die Herausforderung, global zu handeln, wurde von Schneidewind sehr gut dargestellt. Er erklärte uns, dass es nötig sei, diejenigen Staaten zu identifizieren, die andere mitnehmen. In meinen Notizen habe ich an diesem Punkt seines Vortrages das Wort „Influenzer“ groß und mit Ausrufezeichen stehen 😉

Natürlich waren die „Schuldigen“ auch sehr deutlich erkennbar, denn wie global gehandelt werden könne, um diese Transformation der Gesellschaft umzusetzen, stellt sich in vier wesentlichen Schritten dar:

  • Umweltanalyse: Die haben wir ja in vielen verschiedenen Variationen lange vorliegen
  • Technologische Lösungen: Auch in diesem Punkt ist bereits sehr vieles erreicht
  • Politische Rahmenbedingungen und Maßnahmen: und hier haben wir also den Schuldigen, denn im Gegensatz zu Wissenschaft und Forschung kommen an diesem Punkt zu den Fakten, Emotionen + Befindlichkeiten + wirtschaftliche Interessen.
  • ökologisches Ergebnis: daher eben hier auch das Empfinden, dass Umweltanalyse und technologische Lösungen so überhaupt gar nichts verändert haben, seit dem Erdgipfel in Rio.

Nun kann ich ja meist nicht sehr viel damit anfangen, wenn mir jemand einen Schuldigen präsentiert, für ein Problem dessen Lösung mich viel mehr interessiert als die Ursachen. In diesem Fall aber, habe ich es als sehr interessant empfunden, denn die Lösungen sind ja bereits in vielen Bereichen vorhanden und da ist es doch wichtig zu wissen, wer die Umsetzung dieser Lösungen behindert. Jetzt kommt dann auch mein Influenzer Prinzip wieder ins Spiel, denn ich bin davon überzeugt, dass wir alle Influenzer sein können, wenn wir nur wissen, warum wir das sein müssen und welchen Virus wir da verbreiten sollen. Es entstand im Anschluss an diesen Vortrag eine Diskussion darüber ob das denn jetzt ein „von oben nach unten“ oder ein „von unten nach oben“ Problem sei. Da wurde dann also festgestellt, man müsse dies gesetzlich regeln und den Menschen verordnen umweltbewusst zu handeln. Andere führten an, dass aber doch Vorschriften und Gesetze nichts nutzen, wenn die Menschen nicht verstehen, warum sie überhaupt so handeln sollen. Das Rebellionen und soziale Aufstände doch zeigen, dass es „von oben nach unten“ nicht funktionieren kann…

Meiner Meinung nach ist aber genau da der Punkt, warum all die wichtigen und eilig umzusetzenden Prozesse nicht wirklich in Gange kommen. Die ewige Diskussion darüber, wer denn jetzt handeln muss. Dabei könnte es doch so einfach sein, denn wenn die Menschen aufgeklärter wären, die Informationen und das Wissen, über Umweltanalyse und technische Lösungen für jeden verständlich aufgezeigt und geteilt würden, dann kann die „Schwarm Intelligenz“ dafür sorgen, „unten“ das Bewusstsein für die nötigen Handlungen zu wecken. Es muss aber eben gleichzeitig auch „oben“ klar werden, dass diese Erkenntnisse auf allen Ebenen umgesetzt werden. Es genügt nun einmal nicht, wenn wir alle Energiesparlampen einschrauben und die Paläste weiterhin hell leuchtend auf ihren Hügeln stehen. Darüber, dass es auch eine grundsätzliche, globale Wertedebatte geben muss, waren wir uns dann aber tatsächlich einig. Wie diese globale Debatte wiederum funktionieren kann, da trennten sich wieder die Meinungen, denn das da in diesem komischen, fremdartigen, unkontrollierbaren Internet diese Debatte längst stattfindet, das wollte so richtig keiner wissen 😉

Der nächste Referent war dann Dr. Udo Klitzke von der IG Metall (ich kann übrigens keinen der Referenten irgendwie verlinken, weil keine Webpräsenzen zu finden sind, auf ich verlinken könnte, das erklärt vielleicht auch, warum keiner meine Hinweise auf sozialen Dialog im Web hören wollte bzw. verstehen konnte) „Die Gestaltungsoffensive der IG Metall“

Neben dem 20 jährigem Jubiläum des Erdgipfels in Rio feiert die IG Metal nämlich in 2012 das 40 jährige der „IGM Lebensqualitätskonferenz“ und auch vieles, das aus dieser Konferenz vor 40 Jahren entstanden ist, hat viel zu dem beigetragen, das heute wohl unter Umweltpolitik fallen könnte. Die Tatsache, dass es doch anfangs darum gehen sollte Arbeit sicherer zu machen, eben Lebensqualität der Arbeitnehmer zu verbessern, führte dazu, dass die Arbeiter verstanden haben, welchen Nutzen sie von Umweltschutzmaßnahmen haben. Dadurch habe sie es natürlich auch nach Hause getragen und dort weiter dafür gesorgt, dass auch ihre Familien von den Erfahrungen am Arbeitsplatz profitierten. Es wurde also aus Arbeitsschutz -> Humanitärer Arbeitsplatz -> Umweltschutz -> Gesundheitsbewusstsein. Der Punkt in dem Vortrag von Dr. Klitzke der mich am meisten zum weiter denken angeregt hat, war seine Feststellung, dass der Dialog zwischen Gewerkschaften und Politik vor 20 Jahren endete und seit her keine erkennbaren positiven Veränderungen für die Arbeitnehmer mehr möglich waren. Die Gewerkschaften haben ihren Auftrag verloren, als sie aufhörten die Lobbyisten der Arbeiter zu sein. Natürlich formulierte der Gewerkschaftsvertreter es anders und selbstverständlich gab er der Politik (besonders der SPD) die Schuld am Ende dieses Dialogs. Ich für meinen Teil habe da eine etwas andere Meinung, aber im Kern stimmt es, der Dialog war eingefroren und das hat heute zur Folge, dass neoliberale Politik alles erreicht was Reiche reicher und Arbeiter und Mittelstand immer ärmer macht.

Am Rande, in einer Pause, hörte ich eine interessante Theorie, warum denn die SPD vor 20 Jahren auch in die Richtung neoliberal geschwenkt sei. Mit Fall der Mauer, wurde der Sozialismus und alles womit er verbunden wurde, zum „noGo“ in unserer Nation. Der Staat hat ausgedient und darf nur noch verwalten, wirklich lenken und entscheiden muss aber die private Wirtschaft. Staatliche Betriebe aus DDR Zeiten mussten ja sowieso irgendwie unter den Hammer, da wurden dann auch gleich die Bundesdeutschen öffentlichen Unternehmen privatisiert (ok, das ist jetzt natürlich sehr viel einfacher ausgedrückt, aber im Kern weiß sicherlich jeder was gemeint ist, hoffe ich) In diesem Schwung der „Entstaatlichung“ hat eben auch die SPD sehr viele Fehler gemacht, die zu der heutigen Situation erheblich beigetragen haben.

Zurück zum Ende des Dialoges zwischen Volkspartei und Gewerkschaft (die ich ja als die Lobbyisten des Volkes sehe), aus meinem Blickwinkel fand diese Entwicklung eben auch bei den Gewerkschaften statt und daher sind Beide, im Ansehen der Menschen die mit „Volk“ gemeint sind, massiv gefallen. Das auf beiden Seiten diese Erkenntnis inzwischen immer mehr stattfindet macht mir Hoffnung, dass wir wenigstens an diesem Punkt endlich soziale Demokratie wieder herstellen können, in dem der Dialog neu aufgenommen wird. Wenn Gewerkschaften ihre „Lobbyarbeit für´s Volk“ erledigen, können Sozialdemokraten auch wieder Volkspartei sein. *vielleicht naive Anmerkungen einer Träumerin? Aber immerhin eine Möglichkeit die verquere Situation wieder in Ordnung zu bringen, irgendwann muss doch irgendwer mal damit anfangen.

 

Damit endete der erste Tag und weil am zweiten Tag das Thema „Wirtschaftsdiskurs, Wachstumspolitik und nachhaltige Entwicklung“ für sich noch einen tollen Artikel ergibt, ende ich hier vorerst. Ich unterstelle einfach mal, dass es sinnvoller ist, das bis hierhin notierte getrennt zum Thema Nachhaltigkeit zu diskutieren 😉