Archiv für den Monat: August 2016

Au Backe ist ja Wahlkampf

Am 11. September wird in Niedersachsen gewählt. Nein, keine Landesregierung oder größeres. Die Kommunalparlamente, also Kreistag und Stadt- bzw. Gemeinderat, mancherorts auch Bürgermeister, sollen vom Wahl-Bürger ihre Handlungsaufträge bekommen. Wer weiß, um was sich die Kommunalpolitiker alles kümmern, der könnte annehmen, es sind außerordentlich wichtige Wahlen, denn in den Kommunen werden schließlich „vor Ort“ Entscheidungen getroffen. Aber Pustekuchen…

Gefühlt interessieren sich für die Kommunalwahl anscheinend nur Kommunalpolitiker und jene die das werden wollen. Obwohl… stimmt nicht ganz. Diejenigen, die irgendeine Forderung haben, oder sich über etwas ärgern was vor Ort geschieht, die weisen auch gerne darauf hin, dass bald Wahlen sind. Verbunden mit dem drohenden Unterton, wenn diese Forderungen nicht erfüllt, das Ärgernis nicht abgestellt würde, dann wüsste man ja wen man ganz sicher nicht wählen wird. Gerne wird dann auch Landes- oder Bundes-politisches mit dem Kommunalwahlkampf verknüpft. Manche Bewerber gehen sogar soweit, dass sie komplett auf kommunalpolitische Themen verzichten. Das mag daran liegen, dass sie für „vor Ort“ eben auch gar keine Inhalte in ihren Parteikonzepten haben.

Wahlkampf für andere ist toll

Finde ich zumindest. Es bringt echt Spaß, mit einem engagierten Team und einem guten Kandidaten, Strategien zu entwickeln und umzusetzen. Ich habe im Laufe der letzten zehn Jahre dabei ungeheuer viel lernen können und sehr viele prima Leute kennen gelernt. Nicht immer war am Wahlabend dann Jubelstimmung, aber das gehört nun einmal dazu. Im „Verlieren können“ sollten schließlich alle politisch Aktiven geübt sein. Mehrheitsentscheidungen hat jeder echte Demokrat zu akzeptieren. Wir sind uns wahrscheinlich einig darüber, dass es da bei vielen mit dem Demokratieverständnis nicht gar so weit her ist. Auf beiden Seiten, bei allen Parteien und beim Wahlvolk ebenfalls, gibt es aktuell ja sogar immer mehr, die Mehrheitsentscheidungen nicht respektieren können oder wollen. Ok, ich schweife ab. Zu diesem Punkt könnte es sicherlich auch einen eigenen Artikel geben 😉

Für sich selber wahlkämpfen ist Mist

Alle fünf Jahre bin ich als Kommunalpolitikerin ja selber Kandidatin. Wenn der Satz „Schusters Kinder tragen die schlechtesten Schuhe“ für jemanden gilt, dann für mich. Denn sowohl in meinem Beruf, als auch zu Wahlkampfzeiten hadere ich mit der Selbstvermarktung. Das fängt schon damit an, dass mich Wahlkampf eitel macht… Ja, ich muss zugeben, seit mein Bild öfter mal in der Zeitung auftaucht und mich Leute auf der Straße erkennen, schaue ich immer in den Spiegel bevor ich das Haus verlasse. Achte darauf, immer anständig gekleidet zu sein und lege sogar Farbe auf. Dabei mag ich die Schminkerei gar nicht. Was allerdings viel unangenehmer für mich ist, sind die Zwänge und Gegensätzlichkeiten die so anstehen in Wahlkampfzeiten. Auf was Frau plötzlich so alles achten soll… Es gibt viele tolle Veranstaltungen hier bei uns in der Gegend. Zu den meisten davon bin ich jedes Jahr gegangen, weil mir das Spaß gemacht hat und ich mich wirklich dort amüsieren konnte. Vieles davon war auch deshalb so amüsant, weil eben keine oder kaum andere Kommunalpolitiker dort anwesend waren. Im Wahljahr allerdings, da hat sich´s was mit in der ersten Reihe sitzen oder mit jedem unterhaltsame Gespräche führen. Die politischen Mitbewerber (auch aus den eigenen Reihen) sind plötzlich überall dabei und die erste Reihe dann auch gleich belegt. Gespräche laufen irgendwie immer anders ab als sonst. Ich ziehe mich dann gerne zurück, weil ich eben auf dieses Wahl-Gekämpfe so gar keine Lust habe, wenn ich bei einer Veranstaltung bin, die nicht explizit eine Wahlkampfveranstaltung ist. Ähnlich ist es mit der eigentlichen politischen Arbeit. Die letzten fünf Jahre habe ich zum Beispiel im Thema Erdgas/Erdöl hier im Landkreis ziemlich alleine gekämpft. Einige Vertreter von hiesigen Bürgerinitiativen waren die einzigen, die mit mir gemeinsam gegen die Merkwürdigkeiten an den Erdgas Förderplätzen gekämpft haben. Da wir auch einiges bewegen konnten im Thema, war ich der Meinung, dass es nicht nötig ist, dieses wichtige komplexe Thema irgendwie im Wahlkampf zu verheizen. Ja, ich habe mir ernsthaft eingebildet, dass doch jeder der sich für diesen Themenkomplex interessiert, weiß dass ich mich da auf Seiten der Fracking-Gegner intensiv engagiere. Doch auch da Pustekuchen…

Plötzlich waren alles Gute die Anderen

Auf einmal tauchen alle diejenigen, die sich die letzten fünf Jahre fein zurück gehalten haben aus dem „Schlachtgetümmel“, dass es bei so komplexen, wie emotional besetzten Themen nun mal gibt, auf und beanspruchen jeden noch so kleinen Erfolg für sich. Mir wird dann von manchem geraten, ich solle doch mal mehr Wahlkampf für mich machen, damit die Leut wissen wer ich bin und was ich so gemacht habe. Och männo… Ok, dann habe ich es mal damit versucht, bei manchen Gelegenheiten darauf hinzuweisen, dass ich es doch war die in diesem oder jenem Thema die treibende Kraft war. Habe erwähnt, dass doch Antrag XY von mir gewesen ist, oder doch erst durch meine Initiative soundso eine Entscheidung so getroffen wurde, dass sie der Mehrheit der Bürger genutzt hat. Puha, was ich darauf dann zu hören bekomme. „Du bist wohl voll im Wahlkampfmodus wa…“ und „ja ja labern könnt ihr Politiker auch schon auf Dorfebene, aber machen tut ihr nix“, sind da noch die freundlichsten aller Reaktionen. Ob das wohl damit zu tun hat, dass ich tatsächlich -trotz bekannt großer Klappe- lieber in den fünf Jahren zwischen den Wahlen mache wofür ich mich hab wählen lassen, statt in den letzten fünf Wochen vor der Wahl drüber zu reden. Bleibt mir wohl nur die -wahrscheinlich sehr naive- Hoffnung, dass sich am 11. September die Leute an das erinnern, was ich die Legislatur-Periode über gemacht habe und weniger auf das lauschen, was im aktuellen Wahlkampf so alle munter für sich beanspruchen. So oder so bin ich froh, wenn der 11. September rum ist. Wie auch immer es ausgeht, danach ist wenigstens wieder Ruhe und ich darf mich wieder auf die sachliche politische Arbeit konzentrieren, statt darauf ob mein Make-up auch gut aussieht.

Ach noch was…

Ihr wundert euch, warum so oft nur diejenigen Politiker ganz nach oben kommen, die eurem Eindruck nach nicht halten was sie versprechen? Könnte daran liegen, dass diejenigen, die weniger versprechen und mehr in der Sache arbeiten nicht genug Stimmen bekommen um nach oben zu gelangen. Vielleicht sind ja diejenigen die für sich selber nicht so gerne und/oder gut Wahlkampf machen können, einfach mal einen genaueren Blick wert 😉